Inszenierte Realitäten
- March 06, 2022 - April 24, 2022
INSZENIERTE REALITÄTEN
Photographie von:
Franz Derra
Halina Hildebrand
Susanna Kraus in Kooperation mit Annegret Kohlmayer
Die inszenierte Photographie, als Begriff nie genau definiert, bezeichnet, meinem Verständnis nach, den künstlerischen – ja künstlichen Aufbau photographischer Bilder. Wenngleich die Begrifflichkeit der inszenierten Fotografie in der Zeit von Franz Derra noch nicht in Bezug zu seinen Arbeiten angewandt wurde, so ist doch diese Beschreibung für seine experimentelle Fotografie genau so zutreffend wie für die photographischen Arbeiten von Halina Hildebrand und Susanna Kraus.
Ist im Grundverständnis der inszenierten Photographie die Realität sekundär ist sie doch in den Arbeiten der drei Photograph*innen dieser Ausstellung gegenwärtig.
Franz Derra, der seine erste Ausstellung 1968 „Struktur und Rhythmus“ betitelte, beschreibt damit schon viel von den Themen und Objekten, die den Photographen Derra beschäftigen. Photographisch sind es allein die elementaren Bestandteile des Bildes, das Licht und sein Gegenstück, der Schatten, doch die Wahl des Bildausschnitts, Komposition der Objekte und Blickwinkeln eröffnen eine neue optische Illusion, welche durch die virtuelle Ausdehnung des Bildausschnittes verstärkt wird. So weit, diese Arbeiten abstrakt zu nennen, kann man jedoch nicht gehen, zu gegenständlich sind die dargestellten Inhalte der Fotos. Die „Inszenierung“ jedoch und die dadurch entstehenden eigenständigen Strukturen und Rhythmen der Objekte lassen ganz eigene Bilder entstehen, welche im Wechselspiel von Licht und Schatten abstrahiert wirken. Selbst bezeichnet er den Prozess des Entstehens als „kreative Sichtbarmachung“. Die renommierte Kunstkritikerin Lucie Schauer schrieb einmal über Derra:
„Er inszeniert ein photographisches Schau-Spiel“.
Um unabhängig von der Schwankung des Kunstmarktes und seiner Moden künstlerisch frei und ohne wirtschaftliche Abhängigkeit zu arbeiten, verdiente Franz Derra seinen Lebensunterhalt als Kunstlehrer. Er hatte dadurch die Möglichkeit, die eigene Bildsprache konsequent umzusetzen, und dies in einer Zeit, vor allem am Anfang seines Schaffens, in der die Fotografie im Bereich der Kunst in Berlin wenig Beachtung fand.
Schwarz – Weiß, Licht und Schatten, die fließenden Abstufungen dazwischen - alles bildgebenden Elemente der Photographie. Diese Elemente um die weitere Ebene der Farbe erweitert beschreiben die Arbeiten von Halina Hildebrand. Sie schafft mit Ihren mehrfach belichteten Waldbildern, welche sich durch die übereinander gelegten Ebenen in Strukturen auflösen, eine neue Realität. Die Sicht auf das Gewohnte und aufzeigend die geheimnisvolle Kluft zwischen dem Tatsächlichen und dessen optischer Verwandlung.
Zu ihren Fotos sagt sie selbst:
„In meinen Arbeiten strebe ich die Verbindung von Widersprüchen unterschiedlicher Realitäten und den daraus resultierenden unterschiedlichen Wahrheiten an.“
Eine weitere Kategorie von Halina Hildebrands Auseinandersetzung mit dem Medium der Photographie ist die Reise- und Porträtfotografie. Durch ihren besonderen Blick vermag sie Menschen und deren Lebensumfeld eindrücklich zu beschreiben. In unserer Ausstellung lenken wir das Interesse auf ihre Beschreibung des vielschichtigen Themas Wald.
Natur und Botanik sind die ältesten Kategorien in der Geschichte der Fotografie. Diente die Photographie anfänglich meist der Dokumentation, so ist mit der experimentellen, inszenierten Photographie der künstlerische Aspekt deutlich hinzugekommen und somit die Anerkennung dieser Photographie als eigenständiger Teil der Kunst.
Die Fotos von Susanna Kraus, die in Kooperation mit Annegret Kohlmayer entstanden sind, zeigen eine auch durch besondere Technik beeindruckende
neue Facette der experimentellen Inszenierung.
Die Imago-Camera, die lebensgroß zu betreten ist und in der abzulichtende Objekte beziehungsweise Subjekte „inszeniert“ werden, ist der besondere Kern ihrer photographischen Arbeit. Die durch den kreativen Prozess entstandenen Unikate, aufgenommen und direkt belichtet auf einem speziellen Direktpositiv-Photopapier, sind die Vorlagen für eine limitierte Auflage auf unterschiedlichen hochwertigen Fine Art Papieren.
Bekannt ist die Imago-Camera von Susanna Kraus außerhalb der eigenen experimentellen Photografie vor allem durch die lebensgroßen Portraitfotos.
Die Fotos entstehen in der Imago-Camera als direkt belichtete Unikate auf dem extra für die Imago-Camera entwickelten Direktpositiv-Photopapier. Zahlreiche Portraits bekannter Persönlichkeiten aus den unterschiedlichsten Bereichen des öffentlichen Lebens sind so in der Imago-Camera aufgenommen worden. Derzeit zu sehen sind beeindruckende Photoarbeiten von Susanna Kraus im Abgeordnetenhaus Berlin mit den Portraits von Überlebenden des Holocaust und ihren Enkeln.
Die in unserer Ausstellung zu sehenden Photos sind Blumen und Pflanzenblätter, ebenfalls inszeniert in der Imago-Camera von Susanna Kraus und Annegret Kohlmayer.
Durch Bewegung während der Aufnahme vervielfacht und damit Nuancen gebend und Dreidimensionalität hervorrufend. Dieses sowie die meisterliche Beherrschung der Technik der Solarisation – Für Laien kurz: eine Umkehr von Hell in Dunkel und umgekehrt - erlaubt Susanna Kraus und Annegret Kohlmayer die künstlerische Konsequenz jegliche Nachbearbeitung des Bildes zu verweigern.
Soviel die „inszenierten Realitäten“ der drei Fotograf:Innen an Gemeinsamkeiten aufweisen soviel unterscheiden sich auch die Arbeiten emotional, technisch, zeitlich und thematisch. Zusammen bilden die ausgestellten Werke ein künstlerisch sehr breites, ja besonderes Spektrum der experimentellen Fotografie, welches es in dieser Ausstellung zu entdecken gibt.